Ganz entschieden – wie könnten wir auch anders – tragen wir das kulturelle Erbe der Vinschger Gastfreundschaft in der FinKa weiter. Doch von Anfang an wollten wir dies auf unsere eigene Weise tun – fernab der gängigen Tourismus- und Hotelleriekonzepte. Wir orientierten uns eher an den Fremdenzimmern der 50er und 60er Jahre und an der Tradition der Herbergen, die den Durchreisenden im Vinschgau über Jahrhunderte eine einfache, bodenständige Unterkunft boten. Ganz im Sinne einer Neuen Einfachheit haben wir aus der FinKa einen Ort nach diesen unseren Vorstellungen geschaffen.
Wer viel auf Reisen und in der Welt unterwegs ist, kennt die seltenen Orte, die einem im Gedächtnis bleiben, weil man sich dort sofort wohlfühlt. Orte mit etwas Unverwechselbarem, das den Unterschied ausmacht. Solche, die Neugier wecken, Geschichten erzählen und an denen man auf andere Reisende und interessante Zeitgenossen trifft. Orte, die völlig anders sind als das, was man zu Hause kennt, und an denen man sich trotzdem auf Anhieb heimisch fühlt.
Orte, die ein wenig aus der Zeit gefallen scheinen, voller Details, die den Blick immer wieder auf sich ziehen. Orte, die nichts vorspielen, wo die Menschen sie selbst sind, die einem das Leben zeigen, ohne großes Theater.
Solche Orte sucht man auf Reisen oder im Urlaub ständig und findet sie selten. Sie stechen aus dem überquellenden Angebot kaum hervor. Denn was sie wirklich ausmacht, lässt sich nicht in Hochglanzbroschüren oder Werbekampagnen verpacken. Es sind einfache Orte, die durch feine Nuancen und ein Gespür für Atmosphäre und Gastlichkeit den Aufenthalt zeitlos und angenehm machen. Genau darauf haben wir hingearbeitet. Unser Wunsch war und ist es, aus der FinKa einen solchen Ort zu schaffen, eingebettet in die Umgebung, Kultur und Geschichte, als bewussten Gegenentwurf zu all den standardisierten Orten, die das Reisen zu einer bloßen ‚Parallelverschiebung‘ machen, austauschbar, überall gleich, ohne großen Eindruck zu hinterlassen.
Eine weitere Dimension der Gastlichkeit in der FinKa, die wir nicht unterschlagen dürfen, ist die Freiheit! Die Freiheit, einfach mal nichts konsumieren zu müssen... Das läuft dem üblichen Geschäftssinn vielleicht zuwider, und trotzdem soll es so sein. In der FinKa gibt es keinen subtilen Zwang, an der Bar oder
im Restaurant zu bestellen. Wer mag, bringt seine eigenen Getränke mit oder bereitet sich in der Selbstversorgerküche etwas nach eigenem Geschmack zu.
So kann jeder den Aufenthalt ganz nach seinem Gutdünken gestalten. Die Qual der Wahl bleibt aber trotzdem, denn die Auswahl an Aufenthaltsmöglichkeiten ist vielseitig: Da wäre der Salone mit Bibliothek, das Restaurant mit seiner kleinen aber feinen Menüauswahl und natürlich unser gemütlicher Gastgarten
mit Lounge, Liegewiese und Tischen zum Essen. Dort findet man auch unseren kleinen Wellnessbereich – eine alte Badewanne, die im Sommer zur Abkühlung und im Winter bei Minusgraden zum Eisbaden einlädt. Und wer in tiefgründige Gedanken versinken will, kann auf der Philosophenbank über Gott und die Welt sinnieren.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als wir die FinKa planten und der Umbau in vollem Gange war. Damals haben wir uns viele Ratgeber und Strategiepapiere angesehen, die alle dasselbe predigten: sich gut zu positionieren, eine klar umrissene Zielgruppe zu definieren und die Strategie daran auszurichten.
Zum Glück haben wir uns davon nicht leiten lassen – wir hätten sonst mehr als die Hälfte unserer Gäste ausgeschlossen. Für uns stand von Anfang an fest, dass die FinKa ein Ort für alle und jeden sein soll. Natürlich landen auch immer mal Gäste bei uns, die mit unserem Konzept nichts anfangen können. Die neben der ‚Parallelverschiebung‘ auch noch eine ‚Vertikalversetzung‘ wollen und für einen günstigen Übernachtungspreis den Standard eines 4-Sterne-Hotels fordern, mit einem Frühstücksbuffet das keine Wünsche offen lässt. Wobei wir ja ohnehin schon viel bieten, vor allem mit Produkten aus der näheren Umgebung... Aber was soll’s... Für alle offen zu sein heißt nicht, jedem alles recht zu machen.
(Auszug aus dem Buch: FinKa. Wie sie wurde was sie war. Von der Kaserne zum Hostel. 2025)